Ich sitze in einem traditionell gestalteten japanischen Teeraum. Mein Blick fällt auf die Wandnische, in der eine Papierrolle aufgehängt ist. Sie zeigt fünf japanische Schriftzeichen. Davor steht eine Vase mit einer Blume. Ich knie auf einer Tatami-Matte. Ihr feiner Geruch steigt mir in die Nase. Acht Tatami-Matten bedecken den Boden. In einer Einsenkung steht ein schwerer Kessel aus Gusseisen. Glühende Kohlen halten den Inhalt des Kessels warm. Eine Seite des Raumes hat Schiebetüren, die den Blick auf eine wunderbar alte Buche frei machen.
Verrätst Du, wo ich bin? Und nein, es ist nicht Japan.
Ich bin mitten in Zürich! Im Museum Rietberg gibt es einen authentisch gestalteten Raum, in dem die Japanerin Soyu Mukai viermal pro Monat (jeweils am 1. und 3. Sonntag um 13 und um 15 Uhr) zu einer traditionellen Teezeremonie einlädt.
Frau Soyu Mukai ist Teemeisterin der Urasenke-Schule und hat die Zubereitung des Tees in einer 17 Jahre dauernden Ausbildung perfektioniert. Die japanische Teezeremonie nennt sich Chado und entstand aus dem Bedürfnis nach innerer Ruhe und Geborgenheit. Im obersten Stock der Remise des Museums Rietberg werde ich von Frau Mukai in einem traditionellen Kimono begrüsst.
Bevor ich den Teeraum betrete, ziehe ich die Schuhe aus und stelle meine Tasche auf eine Filzmatte. Gemeinsam mit zwölf anderen Gästen knie ich nun jeweils zu dritt auf einer Tatami Matte. Wir sitzen nicht einfach irgendwo auf der Matte, sondern genau hinter der 16. Rille. Das entspricht 24cm. Grosse Ringe und Uhren müssen wir entfernen. Frau Mukai erklärt uns interessante Details aus der japanischen Kultur. Ich erfahre, dass sie die fünf Schriftzeichen auf der Papierrolle in der Nische speziell für die heutige Teezeremonie ausgewählt hat. Sie bedeuten „harmonische Energie bringt unendliches Glück„. Die Geschichte vom Chado und die Herstellung des Tees, den wir gleich trinken werden, werden von Frau Mukai ebenfalls erläutert. Der Tee ist aus feinstem pulverisiertem Grüntee hergestellt. Er wird Matcha genannt und gilt als sehr edle Sorte. Für die Herstellung werden die Teesträucher einige Zeit sogar beschattet, damit die Blätter sich speziell entwickeln können.
Bevor es nun losgeht mit der eigentlichen Zeremonie, erklärt Frau Mukai genau den Ablauf und wie ich mich verhalten muss, wenn sie mir den Tee serviert. Ich bin gespannt, ob ich mir dies alles merken kann!
Frau Mukai verschwindet hinter der Schiebetür. Wenig später kommt sie zurück mit den Gegenständen, die sie für die Teezubereitung benötigt: Eine Schale, eine hölzerne Schöpfkelle, einen Holzlöffel, ein rotes Seidentuch, einen hölzernen Teeschwingbesen und eine Dose, die das Match-Grünteepulver enthält.
Als Erstes wird die Schale noch einmal gereinigt. Dann bereitet Frau Mukai mit dem exquisiten Pulver einen Tee zu. Bis die Tasse Tee serviert werden kann, dauert es bestimmt 15 Minuten. Jede einzelne Bewegung scheint bis aufs Letzte zu sitzen. Jedes Kreisen des Schwingbesens ist perfektioniert. Jedem Falten des roten Seidentuchs widmet Frau Mukai ihre volle Konzentration und Achtsamkeit.
Bevor der Tee getrunken wird, serviert Frau Mukai eine kleine Süssigkeit. Diese liegt auf einem weissen Papier, das ich nach dem Verzehr mehrmals falten und verstecken muss. Jetzt stellt sie die Teeschale vor mich hin. Wir verbeugen uns voreinander, wobei ich die Hände auf die Tatami-Matte lege und sich meine Zeigefinger berühren. Ich nehme die Teeschale mit beiden Händen auf. Mit der rechten Hand drehe ich die Schale zweimal in Uhrzeigersinn. Dann nehme ich drei Schlücke vom Tee. Ich muss gestehen, dass er wirklich sehr speziell schmeckt. Es ist ein bitterer, aber sehr feiner Geschmack. Bevor ich die Schale abstelle, reinige ich sie mit meinen Finger und diese wische ich dann auf dem vorher versteckten Papier ab. Dann drehe ich die Schale wieder zweimal gegen den Uhrzeigersinn und stelle sie vor mir ab. Frau Mukai holt die Schale bei mir ab und wir verbeugen uns wieder.
Ich bin so fasziniert von der ganzen Zeremonie, dass ich meine schmerzenden Beine gar nicht mehr merke. So lange bin ich nämlich noch nie gekniet! Die Achtsamkeit und Konzentration der Teezubereitung ist bewundernswert. Als ich die Stille des Teeraums verlasse, hoffe ich, dass ich ein wenig davon in meinen Alltag mitnehmen kann.
Travel Sisi’s Tipps: Alle Infos zur japanischen Teezeremonie mitten in Zürich findest Du auf der Webseite des Museums Rietberg. Eine frühe Buchung ist unbedingt nötig, denn die Teezeremonien sind immer sehr gut besucht. Auf chado.ch findest Du mehr Informationen zur japanischen Teezeremonie. Im September lädt Frau Mukai zu einer Vollmond Teezeremonie ein. Der Herbst-Vollmond gilt in Japan als der schönste im ganzen Jahr. Im Schein des Vollmonds wird der Tee im Garten des Museums Rietberg zubereitet! Tickets für diese bestimmt unvergessliche Veranstaltung gibt es bei Starticket.
Hast Du auch bereits an einer Teezeremonie teilgenommen? Oder warst Du bereits in Japan? Was waren Deine Erfahrungen? Ich freue mich, wenn Du mir einen Kommentar hinterlässt!
Tanoshinndekudasai,
Deine Travel Sisi
Ich wurde zur japanischen Teezeremonie eingeladen und bedanke mich herzlich dafür. Du kannst aber natürlich trotzdem sicher sein, dass dieser Bericht meiner persönlichen Meinung und Begeisterung entspricht.
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